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eMountainbike-Profi und -Pionier Stefan Schlie, ehemaliger Trial-Vizeweltmeister und mehrfacher Deutscher Meister, spricht über den Boom seiner Sportart, gegenseitigen Respekt und darüber, was Neueinsteiger, aber auch erfahrene (e)Mountainbiker beachten sollten.

Stefan, in den vergangenen Jahren begeistern sich immer mehr Menschen für Mountainbiking, mit oder ohne elektrischen Antrieb. Wie hast du diesen Boom erlebt? Immerhin bist du schon seit mittlerweile mehreren Jahrzenten in der Szene verwurzelt.

Ich kann sehr gut nachvollziehen, warum immer mehr Menschen eine Leidenschaft für den Sport entwickeln, den ich schon seit so vielen Jahren liebe. (lacht) Es gibt nichts Schöneres, als draußen in der Natur unterwegs zu sein und sich immer wieder neuen Herausforderungen zu stellen. Mountainbiken ist der perfekte Mix aus Action, Fitness und Naturerlebnis. Und das noch einmal mehr mit der neuen Freiheit eMountainbike und dem Uphill Flow, dem einzigartigen Fahrgefühl, das man nur mit dem eMTB erleben kann. Auch die Technik wird immer besser. Moderne eMTBs eröffnen neue Möglichkeiten und Routen, von denen wir vor 20 Jahren ohne elektrischen Antrieb nur träumen konnten – und die auch gar keinen Sinn gemacht hätten.

Stefan Schlie © Bosch
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Auf der anderen Seite entstehen durch den Boom in den Bergen und Wäldern auch neue Szenen, insbesondere in beliebten Urlaubsregionen. Es sind ja nicht nur mehr Mountainbiker in der Natur unterwegs, sondern seit dem Beginn der Corona-Pandemie gefühlt auch mehr Wanderer und Spaziergänger.

Ja, das stimmt. Es sind Hotspots entstanden. Mehr Menschen aus verschiedenen Nutzergruppen sind in unterschiedlichen Geschwindigkeiten unterwegs und das muss man berücksichtigen. Alle sollten die Werte Toleranz, Respekt, Miteinander und Rücksichtnahme jederzeit beherzigen. Und der stärkste Teilnehmer muss sich am defensivsten verhalten. Je mehr Menschen draußen auf den Wegen unterwegs sind, desto wichtiger werden diese Werte. Alle Menschen sollen die Natur betreten und genießen dürfen – das ist meine Überzeugung. Pauschale Verbote haben noch nie funktioniert, in keinem Lebensbereich, und machen eine Region unattraktiv. Lenken ist das Zauberwort. Es braucht Angebote und Lösungen.

Wie können solche Lösungen denn aussehen?

Die Bergsteiger-Legende Reinhold Messner hat einmal gesagt, dass die Alpen nicht grundsätzlich überfüllt seien, sondern nur punktuell überlaufen. Ein Tal weiter ist es leer. Und so erlebe ich es auch auf meinen Reisen. Deswegen sehe ich die wachsende Begeisterung für das eMountainbike nicht als Problem, sondern als Teil der Lösung. Durch die höhere Reichweite können eBiker gezielt aus den Hotspots herausgeführt werden. Wie so etwas funktionieren kann, zeigen Regionen wie das Engadin, Lenzerheide, Sölden aber auch Südtirol, Trentino, Finale Ligure und auch die Pfalz.

Mountainbiker im Wald © Bosch
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Du bist in vielen sehr beliebten Regionen mit deinem eMTB unterwegs. Wie wirkt sich der anhaltende Trend zum elektrischen Antrieb auf die Wege aus?

Grundsätzlich gilt für mich: Abenteuer sollten Spuren in der Erinnerung hinterlassen, nicht in der Natur. Solange das Rad rollt, schaden (e)Mountainbiker der Natur nicht mehr als jeder andere, der dort unterwegs ist, etwa Wanderer. Den größten Schaden verursacht das Wetter, also das Wasser. Und auch wenn ein Weg angelegt wird, erfolgt natürlich ein Eingriff in die Natur. Daraus resultiert aus meiner Sicht auch eine Verantwortung für alle, die einen Weg nutzen, ihn liebevoll zu betrachten, zu schützen und zu pflegen. Es braucht nicht nur einen respektvollen Umgang mit anderen Menschen, sondern auch mit der Natur – und vor allem die richtige Fahrtechnik.

Inwiefern?

Beim Mountainbiking hängt viel von der individuellen Fahrweise ab. Wer beispielsweise häufig mit angezogener Hinterradbremse unterwegs ist, der verstärkt die Erosion von Wegen. Richtig schlimm sind Short Cuts, also das Abkürzen als direkte Linien zwischen Spitzkehren. Das ist besonders bei Downhill-Neulingen populär. Und das geht natürlich überhaupt nicht! Das Wasser liebt diesen Weg! Aber: Mountainbiking schadet der Natur per se nicht – egal ob mit oder ohne elektrischen Antrieb und unabhängig davon, wie kraftvoll der Antrieb ist. Es kommt eben auch darauf an, dass man weiß, wie man richtig anfährt am Berg oder bremst. Ich empfehle deshalb immer, an einem der zahlreich angebotenen Fahrtechniktrainings teilzunehmen, in denen auch das korrekte Bremsen thematisiert wird. Ich selbst gebe solche Trainings schon seit vielen Jahren – und ich weiß aus persönlicher Erfahrung, dass dort wirklich nahezu jeder noch etwas für sich mitnehmen kann.

Mountainbiken © Bosch
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Hast du als Szene-Urgestein zum Abschluss noch einen Tipp für alle, die das (e)Mountainbiking neu für sich entdeckt haben oder noch entdecken wollen?

Genießt den Fahrspaß und die Freiheit mit eurem Bike! Verantwortungsvoll! Ihr habt etwas ganz Besonderes gefunden, was viele Lebensbereiche bereichern wird, im Wald und in eurem Alltag. Für Fitness, Naturerlebnis und Mobilität. Das muss bleiben! Respekt (just give a smile to everybody), Trail-Etikette, No Tuning und gesunder Menschenverstand sind daher die Schlagworte. Aus eigener Erfahrung kann ich nur sagen, dass schon kleine Dinge, wie ein freundliches Lächeln und Grüßen viel bewirken können.

Das gilt übrigens für alle, die draußen auf den Wegen unterwegs sind. Denn nur mit einem rücksichtsvollen Miteinander in der Natur und einem respektvollen Umgang mit der Umwelt können wir alle nachhaltig und langfristig voll auskosten, was wir so sehr lieben.

See you on the trails…Bis bald im Wald…Euer Stefan