Am Beginn der MTB-Geschichte gab es nur Männer und Hardtails. Heute ist Mountainbiken Familiensache. E-Bikes und Gravelbikes eröffnen neue Möglichkeiten, die Alpen sind wieder cool. Bikepionier Harry Ploner im Talk über 25 Jahre MTB-Urlaub und die Mountainbike-Trends der Zukunft.
Quo vadis MTB? Harry Ploner im Talk über Mountainbike-Trends
Harry, Du bist Mountainbike-Pionier der ersten Stunde und als Hotelier auch Gründungsmitglied von Mountain Bike Holidays. Wie hat sich das Mountainbiken in den letzten 25 Jahren entwickelt?
Es gab enorme Neuentwicklungen, allen voran das E-Bike. Die anfängliche Skepsis hat sich gelegt, inzwischen ist es das dominierende Thema. Auch weil viele eingefleischte Biker aufs e-Bike umsteigen – weil es die Kondition unterstützt und einfach Spaß macht. Ob mit Muskelkraft oder Motorunterstützung, ist dabei zweitrangig. Die technischen Entwicklungen der letzten Jahre haben neue Möglichkeiten eröffnet. Mein erstes Bike vor über 25 Jahren war noch ohne Federgabel – von Hinterradfederung gar nicht die Rede!
Wie hat sich die Zielgruppe der Mountainbiker verändert?
Den klassischen Biker, den wir vor 25 Jahren gehabt haben – der nach gefahrenen Höhenmetern eingeteilt wurde – den gibt es nicht mehr. In der Zwischenzeit hat man 5 verschieden Bikertypen im Haus:
- Der Hardtail – will 2.000 hm Uphill fahren, aber keine Trails
- Der Fully – ein eingefleischter Biker, der g’scheit hinauffahren aber auch Trails hinunterfahren möchte
- Der Enduro – will nur Downhill
- Der e-Biker – ein älterer Biker, dem 3.000 hm inkl. Trails gerade recht wären, denn das kann er
- Der e-Biker Neueinsteiger – möchte geführte Touren mit rund 1.700 hm – aber ohne Trails
Die Zielgruppe ist also differenzierter?
Ja, DEN Mountainbiker gibt’s nicht mehr. Heute ist Mountainbiken immer ein Mix. Die Vielfalt hat sich extrem verbreitet – von den Bikern, den Bikes, den Könnerstufen und den Erwartungen. Das ist herausfordernd, aber auch sehr spannend!
Gibt es noch die alte Konkurrenz zwischen Mountainbiker und Rennradfahrer?
(lacht) Früher gab es hier eine beinharte Trennlinie – die einen haben die anderen immer etwas geringschätzig betrachtet. Heute machen viele Gäste beides. Und die Gravelbikes pushen diese Entwicklung ganz stark.
Was sind die Themen der Zukunft?
Ist Gravelbiken das große Zukunftsthema bei Mountainbike-Trends?
Einen Mountainbiker, der noch nie Rennrad gefahren ist, aufs Gravelbike zu bringen, ist schwierig. Umgekehrt ist es eine Sensation: Weil das Gravelbike dem Rennradfahrer ein ganz neues Spektrum eröffnet und eine Wahnsinns Qualitätsverbesserung darstellt. Ich konnte mir das auch nicht vorstellen, aber wenn du als Hobby-Rennradfahrer einmal ein Gravelbike gefahren bist, erkennst du den Qualitätsgewinn. Das Gravelbike ist eigentlich das neue Rennrad.
Das Gravelbike ist eigentlich das neue Rennrad.
Harry Ploner
Du bist leidenschaftlicher Mountainbiker & Rennradfahrer – fährst du schon Gravelbike?
Ich war letztes Jahr öfters mit dem Gravelbike unterwegs als mit dem Mountainbike, weil man die klassischen Mountainbike-Strecken in Nauders gut mit dem Gravelbike fahren kann. Die technischen Möglichkeiten der Scheibenbremsen und die breiten, schlauchlosen Reifen ermöglichen vieles, das mit dem Rennrad nicht geht. Dennoch hat man das Rennrad-Feeling. Und die Kombinationen Asphalt & Schotter macht Spaß! Es ist ein anderes Radgefühl.
Der technische Fortschritt ermöglicht ein komplett neues Zeitalter fürs Biken.
Für Enduro Fans ist deine Heimat Nauders in Tirol ein wahres Paradies, oder?
Wir in Nauders sind mit unseren Endurotrails tatsächlich in der Top-Elite: Wir haben über 27 gebaute Trails, rund 2.200 MTB-km mit rund 80.000 Hm und 5 Bergbahnen. Der technische Fortschritt ermöglicht ein komplett neues Zeitalter fürs Biken: Von der Federgabel übers Fully zu den Scheibenbremsen und zur versenkbaren Sattelstütze – das waren enorme technische Entwicklungen. Heute hat man im Mountainbike immer noch die klassischen Routen, aber viele Biker sehen den Spaß im Downhill. Enduro ist ein Riesenthema – nicht nur für die Jungen, sondern auch für die eingefleischten Biker. Auch alte Hasen wie ich fahren mittlerweile gerne mit dem Lift rauf und über die Trails runter (lacht) …
Waren die Aufstiegshilfen anfangs verpönt?
Ja sicher! Mit der Bahn hinauffahren war früher unter eingefleischten Bikern ein absolutes No-Go! Heute ist das anders: Es gibt keine Hemmschwellen mehr, seinen Radius mit der Bergbahn – oder einem e-Bike – zu erweitern. Die Spaßgesellschaft liebt es und kennt kein Alter! Mountainbike hat sich extrem weiterentwickelt und hat mit dem, was es vor 25 Jahren war, eigentlich nicht mehr viel zu tun.
Klassische Touren werden also weniger gefahren?
Immer weniger Biker fahren heute mit einem klassischen Bike ohne Elektroantrieb die Touren, die wir früher gefahren sind. Wie etwa jene durch die Val d’Uina Schlucht: unsere klassische kleine 3-Länder-Königstour mit rund 2.000 hm und 70 km. Die fährt heute fast keiner mehr ohne Antrieb – bis auf ein paar Racer und topfitte Biker der älteren Generation.
Harrys Tipps fürs Mountainbiken @Nauders
Dein persönlicher Touren-Tipp für Nauders am Reschenpass?
Unsere große 4-tägige 3-Länder-Tour, die wir mit Partnern machen – inkl. Gepäcktransfer von Österreich, über die Schweiz nach Italien und zurück, inkl. Val d’Uina. Diese Tour machen viele Gäste noch mit dem klassischen Mountainbike. Es gibt aber auch Varianten für e-Mountainbiker und für Singletrail-Liebhaber.
Wem empfiehlst du Private Guiding in Nauders?
Die perfekte Konstellation ist es, wenn kleine Grüppchen aus 4 bis 5 Leuten kommen – dann kann sich der Guide komplett auf sie einstellen und ihnen ein unvergessliches Tour-Erlebnis bieten – egal ob Enduro oder Cross Country.
Als Bikehotel bietet ihr im Alpen-Comfort-Hotel Central auch Fahrtechniktrainings an …
Fahrtechniktrainings, Tourenberatung & Guidings mit unsere Bike-Guides sind wesentlicher Teil unserer Kompetenz als Bikehotel. Wer Trails fahren will, muss die technischen Grundlagen beherrschen. Das Endurofahren ist ähnlich wie das Skifahren: es hat viel mit Bewegungsabläufen und mit dem Auge fürs Gelände zu tun. Beides muss man schulen.
Wie beim Skifahren wird auch der Mountainbike-Urlaub zum Familienurlaub.
Zum Schluss ein Blick in die Kristallkugel: Was sind die Mountainbike-Trends der Zukunft?
Ganz klar das Thema Familie – diese Entwicklung ist stark im Kommen. Biken ist ein Familienthema geworden.
Durch die Aufstiegshilfen kann man heute mit Kindern auf den Berg. Hier in Nauders haben wir ein tolles Angebot für Kinder – mit eigenem Trainingsgelände und leichten Strecken. Auch die Industrie ist längst auf das Familienthema aufgesprungen. Wie beim Skifahren wird auch der Mountainbike-Urlaub zum Familienurlaub.
Die Berge sind wieder attraktiv geworden. Im Gebirge aktiv sporteln ist IN und cool. Dieser Trend hat mit dem Mountainbiken begonnen.
Der Sehnsuchtsort Berg bleibt uns also erhalten?
Die Berge sind wieder attraktiv geworden. Im Gebirge aktiv sporteln ist IN und cool. Vor 25 Jahren war Mountainbiken eine Randsportart – und die Alpen waren altmodisch. Wenn man sich jetzt im Sommer in Nauders die junge, coole Szene anschaut, ist das einfach lässig! Dieser Trend hat mit dem Mountainbiken begonnen – das war eine Pionierleistung für den aktiven, modernen Sommertourismus, der sich extrem gut entwickelt. Deshalb springen alle auf das Thema MTB auf! Wir von Mountain Bike Holidays haben damals eine Nische besetzt – und punkten bis heute mit der jahrelangen Erfahrung und unserer Bike-Expertise.
Vielen Dank für das Gespräch – und auf die nächsten 25 Jahre Mountainbikeurlaub!
Zur Person: Harry Ploner ist Chef des Alpen-Comfort-Hotels Central in Nauders in Tirol. Er ist nicht nur selbst begeisterter Mountainbiker und Rennrad-Fahrer sowie zertifizierter Bike-Guide sondern ein MTB-Pionier der ersten Stunde. Das Alpen-Comfort-Hotels Central war vor mehr als 25 Jahren Gründungsmitglied der Mountain Bike Holidays. Sein Motto lautet: Uphill eine Herausforderung – Downhill nur Spaß!